Der Geist von Weihnachten

Der Geist von Weihnachten

Weihnachten feiere ich nicht mehr!

Ist doch eh nur alles Konsum!

Wer glaubt denn noch an sowas?

Sinnenleert – dieses Wort höre ich erstaunlich oft, wenn es um Weihnachten geht. Hat Weihnachten einen Sinn – und wenn ja: welchen? Und: muss ich an Gott glauben, damit Weihnachten einen Sinn hat?

Also ich sehe dieses „Weihnachten“ so:

Ich gehe mal ganz weit zurück. Nein, keine 2000 Jahre – viel weiter! Zurück in eine Zeit, als es noch keinen „Gott“ (im christlichen Sinne) gab, zurück in eine Zeit, in der das Einzige, was eine Nacht erhellte, ein wohl gehütetes Feuer war. Bereits damals machten die Menschen (unsere Vorfahren) die Erfahrung, dass es – zumindest auf unserer nördlichen Halbkugel – im Herbst nicht nur immer kälter wurde, sondern auch das Tageslicht immer kürzer schien und die Dunkelheit der Nacht immer länger und länger wurde. Ein Winter muss damals erschreckend gewesen sein, genauer: lebensbedrohlich! Niemand konnte sagen, wie lange der Schnee liegen würde. Niemand konnte sagen, ob das Licht ganz verschwinden würde!

Nun gut – aus der Erfahrung muss es den Menschen wohl irgendwann klar geworden sein, dass das Licht wieder kommen würde, dass die Wärme zurückkehren würde, und doch blieb ein Rest Zweifel, ein Rest Angst.

Und irgendwann begann jemand – noch lange bevor irgendwelche Zeitmesser erfunden waren – zu beobachten, wie lange der Tag dauerte. Und er stellte fest, dass es einen Wendepunkt gab, ab dem die Tage wieder länger wurden. Ohne Zeitmesser ist es allerdings nicht so einfach festzustellen, dass die Sonne tatsächlich wieder länger am Himmel stand – noch dazu wenn es stürmte und schneite. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass erst nach einigen Tagen nach dem, was wir heute die Wintersonnwende nennen, wirklich zweifelsfrei feststand, dass es „aufwärts“ ging. Und ich kann mir vorstellen, dass dies für die damaligen Menschen eine frohe Botschaft war, die von Mund zu Mund weitergegeben wurde. Vielleicht haben die Menschen vor lauter Freude ein großes Feuer angezündet und darum getanzt, um das neue Jahr und das neue Licht zu begrüßen.

Viele Rituale und Bräuche haben ihren Ursprung in der tiefen Vergangenheit und hinter jedem Brauchtum von gestern liegt ein Ritual von vorgestern.

Warum sollte Weihnachten nichts mit dem eigentlichen astronomischen Jahresbeginn zu tun haben, der Wintersonnenwende? Dafür liegen diese beiden Termine für meinen Geschmack einfach zu dicht beieinander. Und der Abstand der früheren „Neujahrsfeierlichkeiten“ wäre durch obiges Gedankenexperiment stimmig und nachvollziehbar.

Was hat das nun mit Weihnachten zu tun?

Lassen sie mich erst noch einen kleinen Zwischenschritt machen:

Das mit dem wiederkehrenden Licht klingt in unseren heutigen Ohren eigentlich eh schon nach esoterischem Blödsinn – jedes Kind weiß: Sonnensystem – Umlaufbahn – Neigung der Erdachse gegenüber der Ekliptik.

Da käme wohl keiner mehr darauf, dass da eine Sonne stirbt und am nächsten Morgen neu geboren wird… und Tag und Nacht in einem ewigen Widerstreit liegen, den mal mehr die Nacht oder mal mehr der Tag gewinnt…

Heute vielleicht nicht, doch in vielen Religionen und Glaubenssystemen findet man dieses Motiv wieder. Im alten Ägypten war das sogar gelebter und alltäglicher Glaube: Die Sonnenbarke, die die Sonne über den Himmel fährt und nachts durch das Wasser der Unterwelt.

Und schlussendlich – und damit lande ich auch bei der christlichen Religion – findet sich auch dort dieses Motiv wieder:  an Ostern stirbt Jesus, das neue Licht, und verbringt drei Tage in der Welt der Toten um dann wieder aufzuerstehen und in den Himmel aufzufahren.

 

Aber zurück zu Weihnachten – die Kirche hat es schon immer verstanden, kraftvolle Plätze, Rituale und Zeiten für sich zu nutzen. Kirchen wurden auf alten Kraftplätzen erbaut und regionales Brauchtum wurde christlich umgedeutet. Was lag da also näher, als auch die Hoffnung auf ein „neues Licht“ aufzugreifen und neu zu verpacken.

Warum also nicht die Geburt Christi genau auf diesen Zeitpunkt zu legen? Die Ankunft des Lichts, personifiziert in der Person des Sohn Gottes!?

Und in der Geschichte liegt noch mehr: Die Herbergssuche, also das Motiv als „Fremder“ keinen Platz zu haben und dann tut sich doch noch eine Tür auf, die zumindest für diese Nacht Schutz und Unterkommen bietet.

Der Geist der Weihnacht ist nicht der Tannenbaum – der wurde erst viel, viel später im 19. Jahrhundert erfunden – und schon gar nicht der überquellende Gabentisch.

Weihnachten ist die Freude über die Ankunft des „Neuen“ – obwohl wir noch nicht wissen, was es bringen wird. Es ist das Teilen dieser Freude, die Gewährung der Gastfreundschaft, es ist das Geschenk eines offenen Herzens, das alle erreicht und berührt: die Niedrigen (die Hirten) und die Mächtigen (Hl. drei Könige).

 

Und noch ein persönliches Wort zu dem „sinnentleert“ vom Anfang:

Geben Sie doch ihrem nächsten Weihnachten einen Sinn – niemand hält sie davon ab. Es muss nicht der Konsumsinn sein. Es muss nicht der Komerzsinn sein. Vielleicht zünden Sie einfach nur eine Kerze an und stellen Sie sie ins Fenster, damit jeder sehen kann: das Licht wird wieder größer. Vielleicht strecken Sie an diesem Tag jemandem die Hand hin, um ihn neu kennen zu lernen. Und vielleicht vergeben Sie sogar jemandem das, von dem Sie überzeugt sind, dass er ihnen das angetan hat.

DANN hat Weihnachten plötzlich einen Sinn!

DANN kann sogar jeden Tag Weihnachten sein.